Es ist in den letzten Tagen einiges passiert, doch fangen wir mit dem Ende des letzten Eintrags an.
Das Konzert von No Use For A Name/Hawaiian6/Rotten Graffty war ein voller Erfolg. Gegen 17:15 fand ich mich am Big Cat's ein, einer Konzerthalle, die IN einem Kaufhaus gebaut wurde. Habe ich bisher noch nirgends gesehen. Der erste war ich allerdings nicht, denn die Schlange reichte schon bis zur Treppenzwischenetage herunter, an die ich mich anstellte. Jedoch besaßen alle anderen in dieser Schlange bereits Karten, was mich ein wenig wunderte, denn mir sagte der Verkäufer Mittags, es werden erst Karten um 17:30 verkauft.
Ein netter Mann mit einem Megafon rief nach und nach Nummern auf und immer mehr Leute mit Ticket kamen ins Gebäude: Also verständlich, wer sich sein Ticket im Lawson oder 7/11 gekauft hat, kommt eher dran. Sinnvolles System. Ebenfalls mit so einem Ticket sah ich einen Gaijin, der auf den ersten Blick etwas verloren wirkte. Er kam immer weiter nach obene und fragte mich dann auf Englisch, was der Megafonmann denn immer sagen würde. Ich versuchte es ihm auf Englisch zu erklären doch er unterbrach mich mit den Worten: "Eigentlich können wir auch auf Deutsch reden, oder?"
Noch ein Deutscher. Ich weiß nicht, ob es mir nur besonders aufgefallen ist, aber fast alle Ausländer, die ich hier getroffen habe, waren Deutsche. In Kyoto, nur Deutsche, in Himeji, Deutsche (bis auf eine englische Familie), Tokyo (eine Menge Deutsche). Ich weiß nich, ob alles nur Touris waren, oder auch hier lebende ... dennoch scheint es doch mehr Leute zu geben, die nach Japan reisen, als ich dachte.
Es stellte sich heraus, dass mein Gesprächspartner Marc (Anm. d. Red.: Name geändert) beruflich für 2 Tage in Osaka war, und als er von dem Konzert gehört hatte, sowieso hier her wollte. So ergab es sich, dass nicht nur ich als Ausländer in der Halle war, sondern es auch einen weiteren Gaijin gab. Wir beide waren groß und stachen aus der Masse doppelt hervor.
Für 500 Yen bekam meinen einen Bon, mit dem man sich ein Getränk holen konnte - eine Art Biermarke - was ich irgendwie umständlich fand, aber so sind die Regeln. Bemerkenswert war, dass die Veranstalter gute Musik während der Wartezeit spielten - noch bemerkenswerter war es allerdings, dass es sich hierbei um etwa 5 Lieder handelte, die sich wiederholten. Aber die Wartezeit hielt sich in Grenzen.
Um etwa 19 Uhr fing die Show an mit der Band aus Kyoto "Rotten Graffty". Was es bedeuten soll weiß ich nicht, ich weiß auch nicht, ob die Mitglieder das wissen, aber was tut es zur Sache. Eine sehr lebendige Show war es, sehr schneller Punk, zwischendurch so etwas wie Rapeinlagen, aber weniger als von mir erwartet. Die Leute hielten sich natürlich zurück, denn es war nun mal immer noch die Vorband.
Nach 6 Liedern war Schluss und die Bühne wurde für Hawaiian6 geräumt.
Naiv wie ich bin, habe ich vermutet Hawaiian6 sei eine Art Undergroundband in Japan, aber ganz im Gegenteil, kannte jeder die Band und es ging eine richtige Party los. Unbemerkt blieben auch Marc und ich nicht von den Mitgliedern und zwischen zwei Songs, begrüßte uns der Drummer. Sehr nett, auch wenn wir sonst nichts verstanden haben.
Die Band spielte Lieder, die jeder kannte (ich erkannte nur 2), doch der Gesang war unter aller Kanone. Der Sänger ist so oder so keine Augenweide und die Stimme etwas ... besonderes, aber es verhält sich wie mit Billy Talent: während es von CD aus noch annehmbar und vielleicht positiv-markant klingt, ist die Stimme live die reinste Tortur.
Dennoch hatten die Japaner viel Spaß an der Band. Wer soll es ihnen verübeln. Vielleicht hat sogar jemand die Texte verstanden, denn die Band singt ANGEBLICH Englisch.
Da es schon recht heftig zuging entschloß ich mich all meine Sachen im Schließfach zu verstauen, de ich nicht wollte, dass etwas während des NUFANS-Konzert kaputt geht. Eine gute Idee, denn der Auftritt von Tony Sly und seiner Band dauerte so an die 2 Stunden und es waren 2 wirklich anstrengende Stunden.
Denn im Minutentakt wurden die Leute an die Bühne herangetragen, es stellte sich als Nachteil heraus so groß zu sein, denn diese Diver benutzen einen gerne als Starthilfe, fünf verschiedene Schuhe trafen mein Gesicht, ein Kreislaufkollaps drohte, doch netterweise gab mir ein Japaner Wasser. Sehr höflich.
Auch als meine 3/4-Hose mit Reisverschluss ein Bein verlor, und ich verzweifelt versuchte den Schaden zu reparieren, bildete sich ein Kreis um mich, und die Gruppe tanzte Sirtaki um mich herum. Großartige Situationskomik.
Tony Sly redete viel mit dem Publikum, auch wenn vermutlich nur 5 Personen in dem Raum verstanden, was er sagte. Unter anderem erwähnte er, dass Japan Musik liebt ... mich häufiger beobachtend sah er zu mir herab und sagte mir, dass er wüsste, dass ich auch Musik liebe und er deswegen auch mich liebt.
Herrlich. Ich schwebte wie auf Wolke 7.
Dann war das Konzert endlich vorbei und schweißgebadet verließ ich den Konzertsaal und traf mich mit Marc und Tatsu, einem Japaner, der uns im perfekten Englisch während des Konzerts ansprach. Mit tatsu fuhr ich zurück nach Tamatsukuri (er wohnt auch dort).
Samstag stand das Spiel zwischen Gamba Osaka und Nagoya Grampus Eight an.
Sprich: Tabellensechster gegen den Tabellenersten. Für 4 Uhr traf ich mich mit Taka am BIGMAN Bildschirm im Hankyu-Umedaeki. Er erklärte mir, dass wir auf seine Freunde noch warten müssen, da sie sich verspäten.
Nun hab ich gedacht, dass es sich dabei um Freunde männlichen Geschlechts handelt, aber falsch. Es waren zwei Mädchen.
Ich mein, MÄDCHEN, die zum Fussball gehen. WTF?!?
Naja, wahrscheinlich ist es wie in Amerika, dass Mädchen sich mehr für Fussball interessieren und die "richtigen" Männer zum Baseball gehen. Naja, keine Ahnung.
Auf jeden Fall waren die beiden keine Ausnahme, denn die Geschlechterverteilung im Stadion war gleichmäßig. Zusammen fuhren wir zum Stadion, während ich versuchte irgendwie mit den dreien zu sprechen, und natürlich kläglich versagte. Eine der beiden, so erfuhr ich aber, lernt seit einem Jahr Deutsch und hatte einige Sachen mitgenommen ... aber für ein Jahr war es nicht gerade viel was sie konnte.
Aber wer bin ich darüber zu urteilen. Ich kann ja auch kein Japanisch.
Am Stadion angekommen war alles voller Leute in blauen Trikots. Es gab Verkaufsstände zu allen Seiten, der Einlass war doppelt gesichert (ohne Rucksackdurchsuchung!) und unsere Plätze im Bereich "SS" waren so toll, dass man sogar noch dort kontrollierte, ob die Leute richtig saßen.
Die Sicht war auf Höhe der Mittellinie besonders gut, und vor dem eigentlichen Spiel fanden wohl mehrere Jugendspiele von Bezirksvereinen aus Osaka statt. Zumindest war es interessanter als oft in deutschen Stadien.
Um 19:04 fing das Spiel zwischen Gamba Osaka und Nagoya an. Was man den Japanern lassen muss, sie laufen viel. Was man aber auch sagen muss, das liegt oft daran, dass die Doppelpässe nicht richtig ankommen und so entsteht eine unvermeidliche Spielgeschwindigkeit, der sich die Spieler anpassen müssen.
Denn es hat weniger mit Fussball als mit Bolzen zu tun. Bevor jemand einen Alleingang wagt wird nach hinten gepasst, und wenn es alles keinen Sinn hat, spielt man zurück zum Torwart.
Leider hatte Nagoya das Bolzen etwas besser drauf und es kam nach 10 Minuten zum 0:1 (bei dem es auch blieb, das schon mal vorweggenommen).
Was mit den japanischen Fans auf den Fanrängen lassen muss, sie bringen eine ungemeine Ausdauer mit.
Während auf der Seite von Nagoya die Stimmung vor Spielbeginn um einiges besser war (immerhin ist man Tabellenführer), und sich die Fans von Gamba (als Heimmannschaft) sehr zurück hielten, war das gesamte Spiel über eine ausgeglichene Stimmung. Denn von der 1. bis zur 90. Minute feierten die Fans ihre Mannschaft wie in Trance an. Als die Niederlage Gambas besiegelt war, und die Mannschaft sich bei den Fans mit einer Ehenrunde bedankte, hagelte es ein Pfeifkonzert von den Fanrängen. Dieser Walk of Shame war das Ende des Tages.
Zusammen fuhren wir wieder zum Hankyu-Umedaeki und ich fuhr mit der Kanjosen zurück nach Tamatsukuri, denn am nächsten Tag musste ich früh raus.
Denn Sonntag morgen ging es für mich nach Ehime auf Shikoku. Unsere Nachbarin war mit ihrem Sohn zu ihrer Familie gereist und ich durfte sie dort besuchen. Das Ticket kaufte ich von JR einen Tag zuvor, reiste aber nicht via Zug, sondern Expressbus.
Denn das war, zwar noch teuer, aber billiger als via Shinkansen oder Flugzeug.
Die Busreise vom Sakurabashiguchi am Umedaeki dauerte 5 Stunden bis nach Matsuyama runter. Genug Zeit um also zu schlafen. Blöderweise verließ ich die Realität um den Zeitpunkt rum, an dem der Bus an meiner Haltestelle anhielt, dementsprechend verblüfft, war ich nach dem aufwachen am Busbahnhof.
Nun musste ich den Herrschaften erklären, dass 1. mein Ticket verschwunden ist (ich hab es zurück in Osaka im Rucksack gefunden) und 2. dass ich an der falschen Haltestelle bin.
Das war doch etwas komplizierter als ich dachte. Der freundliche alte Herr des Busbahnhofs sagte, dass es mit dem Ticket kein Problem sei und ich könnte in etwa 10 Minuten mit dem Bus zurück zur Interguchi-Haltestelle fahren. Vorzeitig weg kam ich dennoch, den ein Mitarbeiter erklärte sich bereit mich per Auto dort hin zu bringen.
Mit meinem gebrochenen Japanisch unterhielt ich mich mit dem freundlichen Fahrer. An der Haltestelle angekommen rief er sogar für mich bei meiner Gastfamilie an, um bescheid zu geben, dass sie mich abholen können.
Weitere 10 Minuten voller Schamgefühl und Unverständnis vergingen, bis ich abgeholt wurde und es war wirklich eine Erleichterung wieder Deutsch sprechen zu können. Denn ihr Sohn war, trotz oder gerade wegen seiner 5 Lenzen gar nicht mehr zu halten.
Mehrmals durfte ich mir während meines Aufenthaltes anhören, wie sich die Familie beschwerte, dass der Kleine nur mit mir und auf Deutsch spricht.
Die Familie selbst war sehr freundlich, das Haus vom Luxus her weit über dem, was ich aus Osaka gewöhnt bin. Die Toilette ging sogar automatisch auf. OMFG.
Am Tag meiner Ankunft hatte unsere Nachbarin einen Ausflug mit einem Bekannten organisiert. Wir besuchten erst die riesige Sportanlage, die die Steuerzahler wohl nur 30.000.000€ gekostet hat, dafür aber auch beeindruckend aussieht, angelehnt an den klassischen Burgenstil, sowie das älteste Onsenbads Japans (so sagt man sich).
Während ich in Beppu noch fast eine halbe Stunde ausgehalten habe, bevor mir schummerig wurde, war das Bad hier noch heißer und nach 7 Minuten war für mich auch Schluss. Aber es war sehr entspannend.
Diesmal nutzte ich aber nicht den bereitstehenden Massagesessel, da die Sitzung nur 2 Minuten dauerte.
Danach gingen wir in einem Sushi-Restaurant essen, also in einem dieser Karusselrestaurants mit dem umherfahrenden Essen.
Jetzt wird ja gesagt, Japan sei unglaublich teuer, aber da 1. in Deutschland in den letzten Jahren alles teurer geworden ist und 2. der Eurokurs gerade im Moment sowieso überragend ist, war es ein unglaublich billiges Vergnügen.
Zum Vergleich: Im Duisburger Kiku-Sushirestaurant im City Palais kostet ein Tellerchen mit 4 Gurken-Makis 2,40€. In Japan bekommt man 6 Gurken-Makis für den Preis von 100¥, was umgerechnet 60-80 Cent sind.
Wie viele man davon essen muss, damit sich die Reise lohnt kann jeder selber ausrechnen - aber abgesehen davon bin ich der Überzeugung, Japan lohnt sich grundsätzlich.
Am zweiten Tag wollte ich mir Matsuyama angucken, doch das Wetter war den gesamten Tag beschissen, weshalb ich nicht aus der überdachten Einkaufspassage herauskam. Nach 3 Stunden war das Vergnügen vorbei und ich ließ mich abholen. "Zu Hause" angekommen übermannte mich die Müdigkeit (mein ständiger Begleiter hier) und ich schlief bis abends. Auch das japanische Fernsehen, so unterhaltsam es auch war, konnte mich nicht retten.
Abends gab es superleckeres Essen, unter anderem japanisches Steak, was so unglaublich weich war und mit Knoblauchzehen gespickt. Nach dem Mahl hätte ich glücklich sterben können.
Und irgendwann abends ging es ins Bett, denn am nächsten Tag würde mich der Sohn wieder um 6 Uhr wachmachen, denn leise ist er wirklich nie. Ein richtiges Energiebündel. Beneidenswert.
Die Rückfahrt verlief ereignislos, gerade weil Osaka die Endstation war, nur verließ ich Matsuyama bei strahlendem Sonnenschein. Das ist nun mal Pech.
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